17.04.2021

160. Geburtstag

Naturdenkmal Linde am Schindtal wird am 24.04.2021 160 Jahre alt

 

In die Landesliste der Naturdenkmäler des Saarlandes wurde der Lindenbaum, zur Einfahrt zum Schindtal stehend, vor einiger Zeit aufgenommen. Somit ist auch das Landesamt für Umwelt und Verbraucherschutz für die Pflege und den Erhalt der Linde verantwortlich. Nicht alles, was unserer Stadt wichtig und erhaltenswert erscheint, kann in die Landesliste aufgenommen werden. So unterhält die Stadt St. Ingbert darüber hinaus weitere, aus ihrer Sicht zu schützende Naturdenkmäler. Überwiegend sind es Bäume. Offizielles Naturdenkmal in Oberwürzbach ist der besagte Lindenbaum, die Schindtalfelsen und die Eichertsfels im Laichweiher Tal.

Die Geschichte der Linde am Schindtal ist bestens dokumentiert. Fritz Hauck war so freundlich und hat uns seine Nachforschungen zur Geschichte der Linde zur Verfügung gestellt:

 

Historisches aus Oberwürzbach:

Die „Winterlinde“ an der Abzweigung Hauptstraße/Schindtal

 

Mein Cousin Kurt Schmitt, Oberwürzbach, Hauptstraße 155 besitzt noch das Geschäftsbuch seines Urgroßvaters Jakob Schmitt. Dieser war Schreinermeister und hatte seine Werkstatt in dem später umgebauten Nebenhaus, jetzt Hauptstraße 153. Das war wohl davor eine Scheune gewesen., denn es hatte ein großes Scheunentor, wie alte Fotos belegen. Die folgende Faksimile hat mir Kurt Schmitt aus dem Geschäftsbuch kopiert. Ich habe sie eingescannt und von Flecken und Knittern gereinigt. Da kaum noch jemand die alte gotische Schrift lesen kann, füge ich unten die Transkription bei:

„Der Lindenbaum vor meinem Haus und Schindtaler Brunnen wurde gesetzt von Jakob Schmitt Schreiner am 24. April 1861. Derjenige, der dieses Buch nach meinem Tode erhält und es sollte voll geschrieben sein, so soll er das Datum und die Jahreszahl in einem andere wieder aufschreiben dass man später nachweisen kann wie alt er ist.“

„Oberwürzbach, am 26. April 1861“

„J. Schmitt“

 

 

 

Erstellt: Fritz Hauck, Hauptstraße 21, 66386 St. Ingbert-Oberwürzbach

Bildergalerie vom Lindenbaum im Laufe der Zeit:

Gemeinsam bringen sie es auf 410 Jahre

 

Vor dem 180 Jahre alten Haus des 70jährigen Besitzers, Kurt Schmitt, feiert eine Linde ihren Geburtstag und wird 160 Jahre alt.

Die Linde am Eingang zum Schindtal steht am Samstag, 24. April 2021 seit 160 Jahren vor „Schreinersch“ Haus in der heutigen Hauptstraße 155. 

Kurt Schmitt, der in der 4. Generation des 1841 gebaute Haus bewohnt, weiß es auf den Tag genau: Sein Ur-Großvater, der Schreiner Jakob Schmitt I., hat am 24. April 1861 den Baum gepflanzt, der zu einem Wahrzeichen von Oberwürzbach geworden ist und unter Denkmalschutz steht.

 

Der jetzt 70jährige Kurt Schmitt hat die Baumpflanzung natürlich nicht miterlebt, aber in einem dicken Buch, dem Geschäftsbuch seines Ur-Großvaters, hat er geschrieben:

„Der Lindenbaum vor meinem Haus am Schindthaler Brunnen wurde gesetzt von Jakob Schmitt Schreiner am 24ten April im Jahr 1861.

Derjenige der dieses Buch nach meinem Tode erhält und es sollte vollgeschrieben sein, so soll er den Dadum und Jahreszahl in einem anderen wieder anführen, dass man späther nachweisen kann wie alt er ist.

Oberwürzbach am 26ten Aprill 1861 J. Schmitt Schreiner“

Der erste Eintrag in dem Buch datiert aus dem Jahre 1803. 

Die von Jakob Schmitt im Jahre 1845 begonnenen Aufzeichnungen befassen sich vorrangig mit Arbeiten, die er als Schreiner für die Gemeinde Oberwürzbach und für Privatpersonen geleistet hat und für die er teilweise in Naturalien entlohnt wurde.

Von Herrn Villeroy, dem damaligen Besitzer des Gutes Ettental, erhielt er für die Herstellung, Lieferung und den Einbau der Fenster am Wohnhaus am 25. August 1862 „2 Malther Karthoflen“ und am 28. September 1862 „Ein Faß Zwetschen“.

Für die Gemeinde Oberwürzbach hat Jakob Schmitt unter anderem „Eine Stallthür an das Hirtenhaus gemacht, in die Trepp 10 Tritt hinein gemacht“, „Ein Meter Dielboden ein gelegt“.

Dem Wirt Franz Becker schrieb er 1870 die Rechnung für „12 Stühl neu gemacht, die alte Stühl repperiert, das Tüschblatt geflickt, die Stub geflickt, eine Thür angeschlagen, 8 Stück Bilder eingefast.“

Auch Schule und Lehrer sorgten für Arbeit. So auch 1879: „Den Boden im Schulsaal ausgebessert, 3 Fenster gemacht, die Lamperie in das Schulsaal gemacht, das Schulsaal gedielt, zwei Fensterscheiben eingemacht an das Schulhaus.“

In einer anderen Handschrift sind die Aufzeichnungen ab der Jahrhundertwende verfasst. 

Nun schrieb Jakob Schmitt II., Sohn des „Baumpflanzers“, das nieder, was er an Schreinerarbeiten geleistet und berechnet hat. 

Da er auch noch Leichenbeschauer und Totengräber war, ist häufig zu lesen, daß er den „Todensarg und das Grab gemacht“ hat.

 

Kurt Schmitt bewahrt die Aufzeichnungen seines Ur-Großvaters, Großvaters und Vaters (Clemens Schmitt) als kostbares Familienerbe auf.

Was seine Vorfahren aufgezeichnet haben, ist aber weit mehr, als nur von persönlichem Interesse. Es ist außer Geschäfts- und Kassenbuch auch Spiegelbild über 175jähriger dörflicher Heimat- und Kulturgeschichte.

Schmunzelnd liest man, was Jakob Schmitt I. Als wissens- und nachamendswert überliefert hat. 

„Gegen den Stich der Bienen, Wesben, Horniesen ist der Zwiebelsaft ein einfaches und wirksames Mittel. Auch die Hauswurzel lindere fast augenblicklich den Schmerz.“

Um Champagner zu machen „rechne man auf eine Flasche Wein 4 bis 5 Loth Zucker, 53 Gram Weinsteinsäure und 72 Gram zweifach kohlensaures Natron. Nach einigen Stunden haben sich die Säure und das Salz aufgelöst und der künstliche Champagner ist fertig.“

Als „sehr erfolgreiches Mittel gegen den Biß toller Hunde nehme man warmen Weinessig und laues Wasser, wasche die Wunde damit aus und trockne sie gut ab. Dan gieße man einige Tropfen Chlorwasserstoffsäure auf die Wunde, weil Mineralsäure das Gift herauszieht.“

Das Gewicht des Geldes wurde angegeben mit: „Eine Million Papier Geld von 5 Mark Scheine wiegt 146 Kilogramm und 20 Mark Scheine wiegt 46 Kilogramm, von 50 Mark Scheine wiegt 25 Kilogramm, von 100 Mark Scheine wiegt 13 Kilogramm, von 1000 Mark Scheine wiegt 2 Kilogramm.“

Zwanzig Jahre älter, als die am 24. April 1861 gepflanzte Linde, also 180 Jahre alt, ist das von Jakob Schmitt I. 1841 gebaute Haus, in dessen Erdgeschoß, sowohl er als auch sein Sohn Jakob Schmitt II. ihre Schreinerwerkstatt hatten.

Als Kurts Eltern, Clemens Schmitt und Frieda, geb. Becker, das Haus nach ihrer Hochzeit am 19. November 1931 übernahmen, „war noch e Mischdehaufe vorredron“, erinnert sich der jetzige Besitzer Kurt Schmitt aus früheren Erzählungen seiner beiden, in 1992 verstorbenen Eltern.

Ein Foto, das um 1912 gemacht wurde zeigt, wie das Haus ausgesehen hat, bevor es 1948-1950 „gründlich modernisiert“ wurde, da es schwere Kriegsschäden aufwies. Von der ursprünglichen Bausubstanz lässt die Alu-Fassadenverkleidung leider nichts mehr erkennen. 

 

Die 160jährige Linde ist und bleibt jedoch unverändert ein Naturdenkmal. Bald wird sie wieder im Schmuck ihrer Blätter und in voller Blüte stehen.

 

 

Verfasser: Kurt Schmitt