09.06.2021

So wohnte der Glasfabrikant Wagner

Wo der Glasfabrikant Wagner wohnte

 

Neue Bahnhofstraße 9, so lautete die Privatadresse der Industriellenfamilie Adolf Wagner. Durch diese Einfahrt, neben dem heutigen St. Ingberter Amtsgericht, fuhren die Herrschaftskutschen bei Festen und Empfängen zum Haus der lebensfrohen Familie Adolf und Katharina Wagner vor. Die drei Töchter Emma, Leonie und Elisabeth, waren jederzeit zu Schabernack aufgelegt, wie man alten Fotos entnehmen kann. Der Sohn und Stammhalter, Adolf, übernahm mit dem väterlichen Vornamen gleichzeitig dessen Erbe als späterer Leiter der Lautzentalglashütte. 

Die Villa Wagner ist den meisten St. Ingbertern als ehemalige Jugendherberge bekannt. Diese wurde 1998 geschlossen. Seither gibt es in St. Ingbert keine Jugendherberge mehr.

Das von dem Besitzer der Lautzentalglashütte 1890 erbaute Jugendstilhaus ist dem damaligen Trend entsprechend mit allen Merkmalen einer auf Repräsentation bedachten höheren Gesellschaft ausgestattet. Kunstvoll ausgearbeitete Sandsteinornamente zeugen von hohen handwerklichen Fähigkeiten. Das Privathaus des Hüttenbetreibers lag nahe am Werk und wurde als „zweistöckiges Wohnhaus mit Mansardenzimmern, Keller, Waschküche, Abort und Hofraum“ errichtet. Der Garten, der später noch erweitert wurde, war zu diesem Zeitraum  mit 2,598 „Tagwerk“ angegeben (etwa 9.000 qm).

1896 folgte der Neubau einer 105 qm großen Remise für die Kutschen einschließlich Waschküche und Kohlenraum. (In diesem Gebäude, das 1999 abgerissen wurde, fanden ab den 1960er Jahren eine ganze Zeitlang die theoretischen Führerscheinprüfungen für Mopeds und Traktoren statt). 

Adolf Wagner pflanzte Bäume um das Haus, der spätere schöne Park entstand.

Adeline Wagner, Enkelin des Glashüttenmitbegründers Adolf Wagner und Tochter von dessen Sohn Adolf verkaufte das Anwesen 1955 für 16 Mio. Franken an die Stadt St. Ingbert, die eine Jugendherberge dort einrichtete. 

1999 veräußerte die Stadt St. Ingbert die Villa Wagner einschließlich einer Parkfläche von 10.000 qm für 1,9 Millionen DM an die SAP, dem Software-Riesen in St. Ingbert. Das Unternehmen nutzt die Villa Wagner, die es mit sehr viel Liebe zum Detail und unter den gestrengen Augen der Denkmal-

schutzzbehörde renovieren ließ, als Bürogebäude. Mit den aufgekauften und renovierten Villen an der Ensheimerstraße und einem 1997 fertig gestellten Verwaltungsgebäude bildet die Villa Wagner ein unverwechselbares Firmen-Ensemble. Gerade entsteht auf dem Parkgelände ein weiteres neues, modernes Bürogebäude.

Text: Norbert + Ulla Wiese

Publiziert in "ingoBerta, St. Ingberter Blätter",

  Ausgabe 39, Winter 2008.    ©  wiese

 

Die Villa Wagner in St. Ingbert.    (foto: wiese)

1898: Die Familie des Glasfabrikanten Adolf Wagner (1848-1900), rechts hinten mit Hut.  Sitzend seine Ehefrau Katharina (1850-1915) mit ihren Töchtern Elisabeth (1877-1958), Emma (1874-1969) und Leoni (1876-1921) (von links) und ganz rechts, Sohn Adolf (1886-1935). Links auf dem Foto ist Fritz Saeftel (1860-1936), der Ehemann von Tochter Elisabeth zu sehen, vorne Enkelsohn Adolf Schulthess (1894-1980), Emmas Sohn.  (foto: privat)

 

Figuren und kunstvolle Sandsteinornamente zieren die Nordseite der Villa Wagner mit den Initialen AW für Adolf Wagner.     (foto: wiese)

 

Blick in das ehemalige Esszimmer der Familie Wagner.   (foto: privat)

 

Sogar eine Kuh wurde im großen Park der Villa gehalten.    (foto: privat)