15.06.2021
Postadresse: Warthburg, St. Ingbert Saar
Das Regenwasser muss wohl ein Problem gewesen sein, denn als der pensionierte Betriebsleiter der Lautzentalglashütte Johann Leininger am 27.11.1933 das alleinstehende Haus mit der damaligen Postanschrift „Warthburg, St. Ingbert, Saar“ erstand, wurde ihm in einem Nachtrag vom 8. Dezember amtlich bescheinigt, das Regenwasser in den vorhandenen Rinnen ableiten zu dürfen. Haus, Ödung, Wald und Garten mitsamt Hühnerhaus und Hühnerschar waren im Kaufpreis von 81.720 ffrcs. enthalten.
Hühner halten sich die Enkel des Glasmachermeisters Leiniger, Marliese Neu und Albert Leininger, die heute mit ihren Familien – drei Generationen sind es – im ehemaligen Haus des Großvaters und im hübschen Wohnhaus nebenan leben – schon lange nicht mehr. Doch noch immer strahlen das Backsteingebäude und der Bauerngarten dahinter, in dem wie in alten Zeiten Gemüse und Blumen in trauter Eintracht gedeihen, die Beschaulichkeit der Zeit aus, in der unterhalb des Grundstücks in der Senke des Lautzentals die Schornsteine der Fenster-
glashütte qualmten und Glas in den Wannen geschmolzen wurde. An den ausgedienten Schamottsteinen der Schmelzöfen, mit denen hier schon vor über hundert Jahren die Gartenwege befestigt wurden, hängen noch die Spuren davon.
In großen Wannen, die mit Schamottsteinen ausgekleidet waren, schmolz man Sand, Soda, Dolomit, Sulfat, Kalkstein und andere „Zutaten“ zu Glas. Die Schamottsteine hielten der großen Hitze (1500 Grad) nicht lange stand. Johann Leiniger befestigte mit den ausgewechselten Steinen, an denen teilweise noch erstarrtes Glas haftet, seine Gartenwege. Dort überdauerten sie die Zeiten bis heute. (foto: wiese)
Albert Leininger hat gerade die Bohnen abgeerntet, seine Ehefrau Erika hat sie sauer eingelegt, auch die Gurken sind schon eingeweckt. Die Tomaten, die geschützt im Gewächshaus reifen, sind eine wahre Pracht.
Für Albert und Erika Leininger gibt es immer etwas zu tun. „Das hält fit“, meint der Rentner, der als Modellbauer Anfang der 1950er Jahre bei der GEMA (dazu bald mehr) seine Lehre begann: der Maschinenbaufirma, die damals ihren Firmensitz auf dem Gelände der ehemaligen Lautzentalglashütte hatte. Genau dort, wo sein Großvater Johann Leininger (1867-1947) einst das Glas machte. „Nur er kannte die genaue Rezeptur für das im Lautzental hergestellte Fensterglas“, erzählt sein Enkel Albert.
„Gegründet wurde die Lautzenthaler Glashütte im Jahr 1889 von dem St. Ingberter Adolf Wagner, gemeinsam mit einem gewissen Herrn Warth. Dieser hatte das Gelände – der ganze Hügel hieß nach ihm die Warthburg – und Wagner das Geld“, so jedenfalls erzählte es mein Großvater Johann immer“, erinnert sich Albert Leininger.
„Wenn die Buben aus der Saarbrücker Straße hier auf den Hügel, in den Wald und auf die Wiesen zum Spielen gingen, dann hieß es nur, wir gehen auf die Warthburg. Das war ein gängiger Name für das Gebiet, noch bis in die 50er, 60er Jahre,“ erklärt Albert Leininger weiter und zeigt alte Postkarten, die an seine Familie mit „Warthburg, St. Ingbert-Saar“ adressiert sind.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stand das große Backsteinhaus oberhalb der Hütte allein auf weiter Flur. Nur ein Fuhrweg führte an dem Verwaltungsgebäude, der Lautzentalglashütte vorbei, in dem auch der Betriebsleiter dieser Glashütte, Johann Leininger damals mit seiner Familie wohnte. Fährt man heute durch die Bahnunterführung zum Schmelzerwald hinauf, kommt man rechter-hand, bevor es in die Lautzentalsiedlung geht, an dem schönen alten Backstein-gebäude vorbei.
In der Lautzentalglashütte war das Fensterglas bis kurz vor ihrer Schließung nach altem Verfahren hergestellt worden. Dazu bliesen die Glasbläser große Walzen, die längs aufgeschnitten und glatt „gebügelt“ wurden. Daher sind sehr alte Fensterscheiben meist etwas uneben. Mit der Schließung der Lautzentalglashütte 1932 ging auch der Glas-Betriebsleiter Johann Leininger in Pension.
Die Vopelius-Hütte, die ab 1926 nach dem modernen Fourcault-Verfahren (maschinelles Ziehverfahren, damit wurde die Scheibenoberfläche glatter) Fensterglas produzierte, hatte sie aufgekauft und stillgelegt. – Die Lautzentalglashütte hatte zu ihrer Zeit eine führende Stellung in der deutschen Fensterglasindustrie eingenommen.
Text: Norbert + Ulla Wiese in ingoBerta.
“ St. Ingberter Blätter",
Ausgabe 38, Herbst 2008 © wiese
Fortsetzung folgt. Eure ingoBerta